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Blitzschutzsysteme nach SEV 4022:2008

Veröffentlicht: 9. Oktober 2008 Kategorie: Fachartikel

In der Brandschutzrichtlinie Blitzschutzanlagen wird vorgegeben, dass Blitzschutzanlagen dem Stand der Technik entsprechen müssen. Der vorliegende Bericht zeigt auf, welches die wesentlichen Neuerungen gegenüber den Leitsätzen des SEV aus dem Jahre 2004 sind.

Blitzschutzsysteme nach SEV 4022:2008

Neue Leitsätze 4022 des SEV

In der Schweiz gilt für Blitzschutzanlagen die Brandschutzrichtlinie vom 26. März 2003, welche und auf den 1. Januar 2005 in Kraft gesetzt wurde. Die Verbindlichkeit gilt für alle Kantone, soweit im Einzelfall vom Interkantonalen Organ nicht eine Ausnahme gestützt auf Artikel 6 der IVTH (Interkantonale Vereinbarung zum Abbau Technischer Handelshemmnisse) bewilligt wird.

Anforderungen gemäss Artikel 2 der Brandschutzrichtlinie Blitzschutzanlagen: Blitzschutzanlagen müssen dem Stand der Technik entsprechen und so beschaffen, bemessen, ausgeführt und in Stand gehalten sein, dass sie jederzeit wirksam sind.

Die neue Blitzschutznorm SN EN 62305 umfasst:
Teil 1: Allgemeine Grundsätze
Teil 2: Risiko-Management
Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen
Teil 4: Elektrische und elektronische Systeme in baulichen Anlagen


Diese Norm bildet eine wesentliche Grundlage für die neuen Leitsätze 4022.

Ziel der neuen Leitsätze

Eine aus Mitgliedern des Technischen Komitees 81 (Blitzschutz) gebildete Arbeitsgruppe mit 9 Personen hat in 12 Sitzungen und viel Hintergrundarbeit eine neue Fassung Leitsätze (2008; 8. Ausgabe) ausgearbeitet.

Im November und Dezember 2008 werden die neuen Leitsätze an Tagungen der Electrosuisse in Bern, Zürich und Fribourg präsentiert.

"Die neuen Leitsätze definieren die Mindestanforderungen der Schutzziele. Sie repräsentieren den aktuellen Stand der Technik."

Bei der neuen Ausgabe wird Wert darauf gelegt, einen wirksamen und wirtschaftlich vertretbaren Blitzschutz zu definieren. Der Erlass verbindlicher Vorschriften fällt in die Kompetenz der zuständigen Behörden. Die Leitsätze sollen den Behörden und den einschlägigen Berufsgruppen eine brauchbare Unterlage in die Hand geben.

Folgende Institutionen haben bei der Erarbeitung der Leitsätze mitgewirkt und waren durch Mitglieder in der Arbeitsgruppe vertreten:

  • Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF)
  • Verband Schweizerischer Elektroinstallationsfirmen (VSEI)
  • Suisstec
  • Schweizerischer Verband Dach und Wand (SVDW)
  • Eidgenössisches Starkstrominspektorat (ESTI)
  • suva
  • Electrosuisse

Neuerungen in den Leitsätzen 2008


Aufbau

Die Gliederung der neuen Leitsätze ist fast unverändert von der alten Fassung übernommen worden, der Umfang ist jedoch stark erweitert. Entgegen der vorangegangenen Ausgaben werden die zeichnerischen Beispiele und Erläuterungen in einem Anhang dargestellt. Dieser vereinfacht das Verstehen der mehrfachen Verweise zu den Figuren.

Grundsätzliche Neuerungen

  • Die Begriffe, wie sie in den europäischen Normen verwendet werden wurden übernommen. Nun wird anstelle der Blitzschutzanlage in der neuen Fassung zum Beispiel der Begriff LPS, welcher für Lightning Protection System (Blitzschutzsystem) steht, verwendet.
  • In einer Übersicht sind die blitzschutzpflichtigen Gebäude, die zugewiesenen Blitzschutzklassen sowie die Kontrollperioden dargestellt (siehe Tabelle 1).
  • Von den vier Blitzschutzklassen wurden nur die Klassen I, II und III aus den EN 62305 übernommen. Damit können die bewährten Blitzschutzsysteme mit Fangleitungsnetzen (Maschennetzen), wie sie in der Schweiz seit vielen Jahren gebaut werden, weiterhin praktisch unverändert erstellt werden.
  • Die drei Blitzschutzklassen des LPS werden in Verbindung mit den Wertinformationen des Maschen-, Blitzkugel- und Schutzwinkelverfahrens sowie den Ableitungsabständen in einer Tabelle dargestellt (siehe Tabellen 2 u. 3).
  • Für LPS welche nach dem Blitzkugel- oder dem Schutzwinkelverfahren erstellt werden oder Anlagen die besondere Massnahmen erfordern und in der neuen Ausgabe nicht erläutert oder dargestellt sind wird auf die EN 62305-1 bis -4 verwiesen.
  • Die gebräuchlichen Werkstoffe und Mindestabmessungen für Erder sind in einer umfassenderen Tabelle als bisher, unter Berücksichtigung von Korrosion und mechanischer Festigkeit, aufgelistet. Diese Tabelle ist in Übereinstimmung mit den ebenfalls neu erscheinenden SEV Leitsätzen 4113 Fundamenterder.
  • Den Leitsätzen ist neu ein Literatur-Verzeichnis angefügt welches Verweise auf Normen und Dokumente beinhaltet, die in der neuen Ausgabe aufgeführt sind.
Technische Neuerungen

Vergleicht man die Ausgabe von 2004 mit der Neuen von 2008 fallen im Wesentlichen folgende Unterschiede und Neuerungen auf:
  • Fangeinrichtungen werden neu nach Schrägdächern, Flachdächern und Dachaufbauten gegliedert. Für die mögliche Integration von Dachaufbauten in das LPS werden verschiedenste Beispiele gezeigt und Erläuterungen gemacht. In Bild 1 wird zum Beispiel dargestellt, in welchen Bereichen mit Hilfe des Schutzwinkelverfahrens Dachaufbauten geschützt werden können.
  • Ableitungen und deren Anzahl ergibt sich aus den zulässigen Abständen zwischen den Ableitungen in Abhängigkeit der Schutzklassen. Dazu werden Beispiele in Kombination mit der Maschenweite von Fangeinrichtungen aufgezeigt.
  • Die Erdungsanlagen werden durch Beispiele von Tiefen- und Staberder mit zeichnerischen Darstellungen ergänzt.

Neuerungen und Anpassungen beim Kapitel für den Inneren Blitzschutz

  • Neu spricht man vom Schutz-Potenzialausgleich (EB= lightning equipotential bonding) und nicht mehr nur vom Potenzialausgleich. Hier handelt es sich um den Potenzialausgleich von voneinander getrennten metallenen Teilen, die mit dem LPS durch direkten Anschluss oder Anschluss über Überspannungsschutzgeräte (SPD) zur Verringerung der durch den Blitzstrom verursachten Potenzialdifferenzen verbunden sind.
  • Der Begriff Mindestabstände wird neu mit Trennungsabstände (Nährung) bezeichnet. In den EN 62305-3 wird von "Elektrische Isolierung von äusseren Blitzschutzsystemen" gesprochen. In den neuen Leitsätzen wird eine Berechnung aufgeführt die von der EN 62305-3 abweicht. In zwei Bildern wird der Trennungsabstand prinzipiell dargestellt und für die Berechnung verständlich gemacht. Bild 3 zeigt ein Beispiel wie es nicht sein soll! Zwischen der Fangleitung und der elektrischen Installation ist der Abstand ungenügend.
  • Der Überspannungsschutz, als Bestandteil des Inneren Blitzschutzes, wird präzisiert und im Anhang durch neue Beispiele erläutert. Bezüglich der Ableiterkoordination wird auf 62305-4 verwiesen.
  • Auf die Wirkung von Kabelabschirmungen wird detaillierter eingegangen. Es wird auf zwei aktuelle EN für weitere Erläuterungen verwiesen. Für sensible Geräte auf einem Dach wird ein Anwendungsbeispiel mit Fangstangen (lokal getrenntes LPS) und ein solches mit Anschluss an das Fangleitungsnetz aufgezeigt. In der Praxis können lokal getrennte LPS bei verschiedensten Einrichtungen angewendet werden. Bild 5 zeigt ein Beispiel bei elektrisch angetriebenen Dachfenstern (RWA). Mit Fangstangen können Einrichtungen besser gegen Direkteinschläge geschützt werden. Es ist zum Beispiel auch möglich, ein distanziertes Fangleitungsnetz über technischen Einrichtungen zu platzieren, um so einen optimalen Schutz zu erreichen.
Fangstangen

Bereits Benjamin Franklin (1706-1790) hat die Vorzüge solcher Einrichtungen festgestellt. Im Jahre 1760 wurde auf einem Haus die vermutlich erste Franklin’sche Fangstange errichtet. Bei einem bald darauf erfolgten Einschlag wurde lediglich ein Teil der Stange abgeschmolzen. In der Schweiz werden nachweislich und mit Erfolg bereits seit dem 19. Jahrhundert Blitzschutzmassnahmen mit Fangstangen getroffen. Diese waren während vielen Jahren die einzige wirksame Massnahme.

Auch der Arbeitskreis Blitzschutz und Blitzforschung (ABB) des VDE stuft die Massnahmen wie sie in den EN 62305 aufgezeigt werden als gute Lösungsmöglichkeiten ein. Sie entsprechen dem Stand der Technik.
  • Neu aufgenommen wurden Biogasanlagen. Die Aussenbereiche von Fermentern sind der Ex-Zone 2 zugeordnet.
  • Beim Bau von Photovoltaikanlagen wird auf notwendige und empfohlene Massnahmen hingewiesen.
  • Bei Zelten mit einer Metallkonstruktion und einer grossen Personenbelegung ist die Metallkonstruktion als LPS zu verwenden und mit einer Erdungsanlage zu verbinden.
Planung, Bau und Kontrollen von Blitzschutzsystemen

Einen ausführlichen Fachaufsatz rund um Blitzschutzsysteme inklusive Planung, Bau und Kontrolle finden Sie in der Novemberausgabe der Elektrotechnik ET.

Zum Autor:
Martin Arnold ist Inhaber der Firma ARNOLD Engineering und Beratung, Opfikon ZH. Er ist Mitglied im TK 81, Nationales Komitee Blitzschutz CES. Er hat in der Arbeitsgruppe Leitsätze des SEV 4022:2008 mitgearbeitet. Die Firma ist Mitglied im Arbeitskreis Blitzschutz und Blitzforschung (ABB) des VDE. Sie befasst sich mit Beratung, Optimierung und Prüfung in EMV-Belangen des installationstechnischen Bereiches.
Tabelle 1: Blitzschutzpflichtige Gebäude, Blitzschutzklassen, Kontrollperioden (Auszug)
Tabelle 2: Höchstwerte der Maschenweite, des Blitzkugelradius und des Schutzwinkels nach der entsprechenden Blitzschutzklasse des Blitzschutzsystemes (LPS)
Tabelle 3: Zulässige Schutzwinkel α in Abhängigkeit der Höhe der Fangeinrichtung über der Bezugsfläche des zu schützenden Bereiches und der Schutzklasse
Tabelle 4: Berechnung der Trennungsabstände (Näherung)
Bild 1 Prinzipdarstellung; Geschützte Bereiche / Berechnung des Schutzwinkels
Bild 2 Prinzip Trennungsabstand / Länge entlang der Fangeinrichtung
Bild 3 Beispiel eines nicht genügenden Trennungsabstandes (Näherung)
Bild 4 Prinzipielle Darstellung; Anwendungsbeispiele Dachaufbauten
Linke Figur: Schutz mit Fangstange (lokal getrenntes LPS)
Rechte Figur: Mit Fangleitung verbunden
Bild 5: Fangstangen zum Schutz von Dachfenstern mit elektrischem Antrieb (RWA)
Bild 6 Schutz von Dachaufbauten durch ein distanziertes Fangleitungsnetz
Bild 7 Fangstange mit Ausgleichs- und Ableitung bei einem Gebäude mit exponierter Lage (ca. 1945)
Bild 8 Prinzipdarstellung; Fermenter einer Biogasanlage Darstellung Ex-Zone und mögliches LPS (Schutzklasse II)

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