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Leitfaden über den Schutz - Teil 1: Sternpunktbehandlung

Veröffentlicht: 29. März 2012 Kategorie: Fachartikel

Schutzeinrichtungen überwachen dauernd den elektrischen Zustand der Teile eines Netzes und bewirken deren Abschaltung (z.B. durch Öffnen eines Leistungsschalters), wenn dort eine Störung wie z.B. ein Kurzschluss oder ein Isolationsfehler usw. auftritt.

Leitfaden über den Schutz - Teil 1: Sternpunktbehandlung
Einleitung
Schutzeinrichtungen überwachen dauernd den elektrischen Zustand der Teile eines Netzes und bewirken deren Abschaltung (z.B. durch Öffnen eines Leistungsschalters), wenn dort eine Störung wie z.B. ein Kurzschluss oder ein Isolationsfehler usw. auftritt. Damit werden die folgenden Ziele verfolgt:
  • Beitrag zum Schutz von Personen gegen die elektrischen Gefahren.
  • Vermeidung der Zerstörung von Betriebsmitteln (die von einem dreiphasigen Kurzschluss an MS-Sammelschienen erzeugte Energie ist in der Lage, in 1 Sekunde bis zu 50 kg Kupfer zu schmelzen; die Temperatur des Lichtbogens kann in seinem Kern 10 000 °C übersteigen).
  • Begrenzung der thermischen, dielektrischen und mechanischen Beanspruchungen, denen diese Betriebsmittel unterworfen werden.
  • Aufrechterhaltung der Stabilität des Netzes und der Kontinuität der Stromversorgung.
  • Schutz der benachbarten Anlagen (z.B. Reduktion der in benachbarten Stromkreisen induzierten Spannungen).
Um diese Ziele zu erreichen, muss ein Schutzsystem die folgenden Merkmale haben
  • Schnelligkeit
  • Selektivität
  • Zuverlässigkeit
Man muss sich jedoch auch der Grenzen des Schutzes bewusst sein: Zuerst muss eine Störung auftreten, damit der Schutz in Aktion treten kann. Somit kann der Schutz keine Störungen verhindern, er kann lediglich deren Dauer begrenzen. Zudem ist die Wahl eines Schutzes oft ein technischwirtschaftlicher Kompromiss zwischen der Sicherheit und der Verfügbarkeit der Versorgung mit elektrischer Energie.

Die Wahl einer Schutzeinrichtung ist nicht die Folge einer separaten Überlegung, sondern eine der wichtigsten Stufen beim Entwurf eines Stromnetzes. Ausgehend vom Studium des Verhaltens der elektrischen Betriebsmittel (Motoren, Transformatoren usw.) im Störungsfall und der sich daraus ergebenden Erscheinungen verfolgt der vorliegende Leitfaden den Zweck, Ihnen bei der Wahl der am besten geeigneten Schutzeinrichtungen behilflich zu sein.

Sternpunktbehandlung
Die Wahl der Art der Erdung des Sternpunktes der MS- und NS-Netze war lange Zeit Gegenstand von heftigen Meinungsverschiedenheiten, da es unmöglich ist, für die einzelnen Netzarten einen einzigen Kompromiss zu finden. Aufgrund der praktischen Erfahrung ist es heute möglich, unter Berücksichtigung der Besonderheiten jedes Netzes eine sachdienliche Wahl zu treffen.

Die fünf Sternpunktschaltungen
Das Sternpunktpotential kann durch fünf verschiedene Methoden festgelegt werden, die sich durch die Art (Kapazität, Widerstand, Induktivität) und den Wert (null bis unendlich) der zwischen dem Sternpunkt und der Erde geschalteten Impedanz Zn unterscheiden:
  • Zn = ∞ d.h. nicht geerdeter Sternpunkt (auch isolierter Sternpunkt genannt), keine absichtliche Verbindung.
  • Zn ist ein Widerstand mit einem mehr oder weniger hohen Wert.
  • Zn ist eine Reaktanz mit einem in der Regel niedrigen Wert
  • Zn ist eine bestimmte Reaktanz, welche die Kapazität des Netzes kompensiert.
  • Zn = 0, d.h. direkt geerdeter Sternpunkt.
Schwierigkeiten und Auswahlkriterien
Die Auswahlkriterien betreffen zahlreiche Gesichtspunkte:
  • Technische Gesichtspunkte (Funktionstüchtigkeit des Netzes, Überspannungen, Fehlerstrom usw.).
  • Betriebliche Gesichtspunkte (Kontinuität der Versorgung, Instandhaltung usw.).
  • Sicherheits-Gesichtspunkte.
  • Wirtschaftliche Gesichtspunkte (Investitionskosten, Betriebskosten).
  • Gesichtspunkte der örtlichen oder nationalen Gewohnheiten.
Besonders zwei wichtige technische Gesichtspunkte widersprechen sich:
  1. Reduktion des Überspannungspegels
    Überspannungen haben verschiedene Ursachen:
    • Blitzüberspannungen, denen alle Freileitungsnetze bis zu den Verbrauchern ausgesetzt sind.
    • Netzinterne Überspannungen, die durch Schaltvorgänge und bestimmte kritische Situationen (Resonanzen) verursacht werden.
    • Überspannungen, die sich aus einem Erdschluss und seiner Beseitigung ergeben.

  2. Reduktion des Erdschlussstroms Id
    Ein zu hoher Fehlerstrom hat eine ganze Reihe von Folgen:
    • Schäden durch den Lichtbogen an der Fehlerstelle, insbesondere Schmelzen der magnetischen Kreise rotierender Maschinen.
    • Thermisches Verhalten der Kabelabschirmungen.
    • Abmessungen und Kosten des Erdungswiderstandes.
    • Induktionen in benachbarten Telekommunikationskreisen.
    • Gefährdung von Personen durch Erhöhung des Potentials des Körpers (der Masse) eines elektrischen Betriebsmittels.
Leider bewirkt die Optimierung einer dieser Anforderungen automatisch eine Beeinträchtigung der anderen. Zwei typische Methoden der Sternpunkterdung streichen diesen Kontrast besonders heraus:
  1. Der nicht geerdete (d.h. isolierte) Sternpunkt, der verhindert, dass ein Erdschlussstrom fließt, der aber die höchste Überspannung bewirkt.
  2. Der direkt geerdete Sternpunkt, der die Überspannungen auf ein Minimum reduziert, jedoch einen hohen Fehlerstrom bewirkt. Deshalb wird in vielen Fällen eine Zwischenlösung mit einem über eine Impedanz geerdeten Sternpunkt gewählt.
Nicht geerdeter Sternpunkt
In einem solchen Netz bewirkt ein einphasiger Erdschluss nur einen niedrigen Fehlerstrom Id über die Kapazitäten der gesunden Phasen gegen Erde. Es kann gezeigt werden, dass Id = 3 CωV, wobei
  • V = Phasenspannung
  • C = Kapazität einer Phase gegen Erde
  • ω = Kreisfrequenz des Netzes (w = 2πf).
Der Strom Id kann im Prinzip lange Zeit bestehen bleiben, ohne Schaden anzurichten, da sein Wert nicht höher ist als wenige Ampere (etwa 2 A pro km für ein einpoliges 6 kV-Kabel mit PRC-Isolation, dessen Kapazität 0,63 µF/km beträgt). Somit muss nichts unternommen werden, um diesen ersten Fehler zu beseitigen, weshalb diese Lösung den wesentlichen Vorteil hat, die Kontinuität der Versorgung aufrechtzuerhalten. Dies hat jedoch Folgen:
  • Ein nicht beseitigter Isolationsfehler muss unbedingt von einer Isolationsüberwachungseinrichtung gemeldet werden.
  • Die darauf folgende Suche nach dem Fehler erfordert einerseits eine umso komplexere Apparatur, je automatischer sie ist, um eine schnelle Erkennung des fehlerhaften Abgangs zu ermöglichen, und andererseits einen qualifizierten Unterhaltsdienst für den Betrieb.
  • Falls der erste Fehler nicht beseitigt wird, bewirkt ein zweiter Fehler an einer anderen Phase einen echten zweiphasigen Erdschluss, der von den Phasenschutzeinrichtungen beseitigt werden muss.
Vorteil
Der wesentliche Vorteil ist die Kontinuität der Versorgung, da es der sehr niedrige Fehlerstrom zulässt, nicht automatisch abzuschalten.

Nachteile
Die Nichtbeseitigung der Überspannungen durch Ableitung gegen Erde ist ein bedeutender Nachteil, wenn diese Überspannungen hoch sind. Zudem nehmen bei der Erdung einer Phase die anderen Phasen die verkettete Spannung (U = V.√3) gegen Erde an, was die Gefahr eines zweiten Fehlers erhöht. Die Isolationskosten sind höher, da die verkettete Spannung während einer langen Zeit zwischen Phase und Erde anstehen kann, weil keine automatische Abschaltung erfolgt. Es ist ein Unterhaltsdienst erforderlich, der mit für die rasche Suche nach dem ersten Isolationsfehler geeignetem Material ausgerüstet ist.

Anwendungen
Diese Lösung wird oft für Industrienetze (≤ 15 kV) gewählt, für welche die Kontinuität der Versorgung oberstes Gebot ist.